SmartCityCologne-Konferenz 2022 und
52. Bonner Wirtschaftstalk Einsichten und Aussichten
SmartCity ist ein Begriff, der dem klugen Einsatz von Digitalisierung, Vernetzung in Städten und Regionen und Datenmanagement gleichermaßen Ziel und Deckmantel sein kann. Ziel immer dann, wenn es gilt und gelingt, mit den aktuellen technischen Möglichkeiten echte Mehrwerte zu schaffen, die in der analogen Welt nicht realisierbar und oft auf nur für Experten beobachtbar waren. Deckmantel ist der Begriff dann, wenn Problemstellungen mit einer „traditionellen“ Herangehensweise vielleicht „elektrifiziert“ werden, aber der Paradigmenwechsel in Richtung der inzwischen ja schon gar nicht mehr so neuen Informations- und Wissensgesellschaft verpaßt oder – noch schlimmer – nicht einmal vermißt wird.
Wenn Studien zeigen, daß Online-Terminbuchungen eine der beliebtesten eGovernment-Leistungen in Deutschland sind, könnte das auf eine Phantasielosigkeit der Nutzer aber ggf. auch auf ein wenig spektakuläres Angebot der Öffentlichen Hand schließen lassen. Beides ist sicherlich nicht komplett falsch, aber erfreulicherweise auch nur ein Schlaglicht auf die aktuellen Entwicklungen.
Wo stehen wir denn – im nationalen und internationalen Vergleich?
Der Wandel muß verkauft werden. Also ist ein Listenplatz für die Akteure auf dem politischen Teil der Bühne vielleicht hilfreich, um Erreichtes auch vorzeigen zu können.
Henriette Reker, OBin der Stadt Köln, eröffnete die SmartCityCologne Konferenz 2022 unter anderem mit der Feststellung „Wir wollen – nach Hamburg – die Nr. 2 im bitkom-Ranking der SmartCities in Deutschland bleiben …!“. Ein solches Eingangsstatement hört sich fast zaghaft an und wirkt im europa- oder weltweiten Vergleich noch einmal glanzloser, da Hamburg in der renommierten Studie des IMD 2021 weltweit der Rang 40 zugemessen wird, während Köln unter den über 100 evaluierten Städten nicht einmal erwähnt ist.
Ein Platz in Rankings ist kein absolutes Qualitätsurteil, sondern erst einmal Ausdruck der Anwendung des Studiendesigns. Aber was zeigt wirkliche Relevanz? Der Leitsatz „Qualität ist wahrgenommene Bedürfnisbefriedigung“ ist zumindest ansatzweise auch im eGov-Monitor 2020 (Initiative D21) so postuliert: Relevant ist, was ankommt. Die Vorstellungskraft einer Mehrheit der Bürger darf dabei natürlich nicht den Horizont von digitaler Innovationskraft beschreiben, liefert aber Anhaltspunkte, wo Investitionen der öffentlichen Hand auch wahrnehmbaren Mehrwert für den Stakeholder „Kunde“ anbieten.
Der Leiter Wasserwirtschaftliche Planung, Stadtentwässerungsbetriebe (StEB) Köln, liefert mit Team und Tool (zur Auswirkungsanalyse von Hochwasser und Starkregen) millimetergenauen Mehrwert, wenn er nunmehr simulieren kann, wann und wo Gefahren entstehen und wie im Notfall adhoc geholfen werden kann bzw. welche Baumaßnahmen dauerhafte Abhilfe schaffen würden; konkreten, individuellen und öffentlichen, ökonomischen und ökologischen Mehrwert, der aus Forschungen mit dem Partner VRVis Wien herrührt (übrigens gute Gesellschaft, zumindest gem. IMD-Ranking, wo Wien mit Rang 11 den besten „deutschsprachigen“ Treppchenplatz erzielen konnte).
Welche Ziele gelten für wen und bis wann?
Expertensysteme sind also manchmal Quantensprünge von Terminbuchungsportalen entfernt und werden von Experten für Experten – und Bürger – entwickelt. Die Vorgaben des sog. Onlinezugangsgesetz (OZG) bis Ende 2022 umzusetzen wird nicht gelingen – aus diversen Gründen. Aber damit ist die Digitalisierung der öffentlichen Hand zum Glück nicht ad acta gelegt, sie braucht halt nur länger.
Visionen und Umsetzungsverantwortliche gibt es. Auf dem 52. Bonner Wirtschaftstalk hat der CIO des Landes, Prof. Andreas Meyer-Falcke, sowohl ganz pragmatische Durchbrüche für Datenübertragungen, aber auch bundesweite Zusammenarbeitsszenarien skizziert – die allesamt unmittelbar sinnvoll scheinen, aber immer noch an vielfältige Grenzen im föderalen und kommunalen Zuständigkeitsgeflecht stoßen. Die Weiterleitung der Stammdaten eines Neugeborenen an die Stamm(buch)-Dateien eines Standes- oder Finanzamtes will momentan in NRW genau so wenig gelingen, wie die bundesweite Nutzung einer Fahrgestell- und SIM-Kartennummer eines Neufahrzeuges für den gesamten Life-Cycle des KfZs alleine aus den Blickwinkeln der Steuer, des Fahrens, Parkens oder Entsorgens.
Erfahrungswerte aus einer anderen Welt?!?
Komplexer als die Finanzwelt ist der (Micro-)Kosmos der öffentlichen Verwaltung auch nicht. Nur noch nicht so weit – in vielerlei Hinsicht. Die Kosten-/Erfahrungskurven der Finanzmärkte – mit allen ihren nationalen und internationalen Regulatoren – bieten viele Möglichkeiten der Weitergabe von Erfahrungen an die Öffentliche Hand. Zweimal Dienstleistungssektor – weitestgehend. Zweimal hochsensibles Terrain.
Haben die Banken vor 20 Jahren vom Primär-Sektor mit der sog. Industrialisierung gelernt, daß Standardisierung von Produkten, Schnittstellen und Dienstleistern trotzdem konkurrenzfähige B2B- und B2C-Leistungen möglich macht, fühlen sich Behörden oft nicht als Teilnehmer eines wirksamen Wettbewerbs. Genau der steht aber in vielerlei Gestalt vor und mit dem Fuß in der Tür.
Der War for Talent ist durch den demographischen Wandel ebenso spürbar wie der Wettbewerb um alle anderen knappen Ressourcen (von Rohstoffen bis Finanzmittel, von zukunftssicherem Gewerbe, über Kulturmagneten bis Bildungseinrichtungen mit zeitgemäßer Ausstattung und Lehrenden, die auch im internationalen Vergleich standhalten), wo disruptive Erlebnisse wie pandemische oder kriegsbedingte Situationen das Erleben von Grenzen der eigenen Handlungsoptionen in althergebrachter Weise zeigen.
SmartCities – smarte Lösungen für smarte Kunden!?!
Egal ob SmartCities, SmartVillages oder SmartRegions – Behörden können von Banken lernen. Im Positiven wie Negativen. Wo die Finanzwirtschaft inzwischen europa- und weltweite Standards entwickelt und etabliert hat, muß der Public Sector nicht versuchen, nationale Sonderwege zu perpetuieren, IT-Lösungen ohne Differenzierungspotential dutzendfach zu pflegen und Datenhaushalte unter dem Deckmantel des Datenschutzes einem Open Data Ansatz vorzuenthalten.
Der Konferenzbeitrag von Prof. Wolfgang Ketter (Universität zu Köln), illustriert SmartMobility u.a. an den verschiedenen Wegen einer fiktiven Familie durch die Stadt– gelenkt durch zukünftige Navigationssysteme, die Verkehrsmittel, Preise und Dauer anhand der Auslastung von Straßen und bspw. (verkehrs)politischer Steuerungsparameter bewerten. Die 5 Breakout-Sessions der Konferenz klingen genauso konkret und unmittelbar umsetzbar: Smart City und Digitalisierung, Mobilität der Zukunft, Digitale Werkzeuge und Geodaten, Klimaneutral 2035 / Solaroffensive und Planen und Bauen.
Wenn es also weder an konkreten Use Cases, noch Rollen oder Rollenbesetzungen, gesetzlichen Vorgaben und Technologiereife mangelt, dann ist es also vielleicht auch einfach der zutiefst menschliche Blick auf Veränderungen: Wenn es schon anders sein soll, dann doch bitte so wie vorher – nur ein bisschen mehr von allem. Wandel 1. Ordnung – „mehr desselben“. Was wir aber brauchen, ist ein Wandel 2. Ordnung; die Einsicht in einen neuen Weg. Bounce forward. Change.
Anders als die Privatwirtschaft, kann sich der Öffentliche Dienst seine Kunden allerdings nicht aussuchen, sondern muß attraktive und verständliche Angebote für (uns) alle anbieten. Was aber nicht heißen darf, daß der kleinste gemeinsame Nenner den Rahmen setzt, sondern daß ein mehrgrößenoptimierter Lösungsansatz gefunden und umgesetzt werden muß. In der Stadt und auf dem Land. Lokal, aber am besten nicht in Unkenntnis der klugen Lösungen der Menschen hinter der nächsten Wegbiegung.
Der Weg zum Olymp der SmartCities ist für deutsche Kommunen und Regionen also durchaus noch steinig und schon gar nicht mit Ruhebänken gesegnet. Aber er lohnt sich für Bürger, Betriebe und Behörden. Nicht, um Lorbeerkränze in Rankings zugesprochen zu bekommen, sondern um im lokalen, nationalen, internationalen und vor allem auch emotionalen Wettbewerb echte Mehrwerte anbieten zu können.
Im Rahmen seines Lehrauftrages an der Hochschule für Polizei und Verwaltung (HSP NRW) besuchte
SOLIT FINANCE Managing Director Jürgen C. Pfitzner mit Masterstudierende des Jahrgangs 2021 die
SmartCityCologne-Konferenz 2022 und in der Folgewoche den 52. Bonner Wirtschaftstalk (alleine).